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»VR ist ein Quantensprung für die Wissensvermittlung«

Interview mit Maria und Jörg Courtial von Faber Courtial GbR

»VR ist ein Quantensprung für die Wissensvermittlung«, schrieben Maria und Jörg Courtial von der VR-Produktionsfirma Faber Courtial 2021 auf ihrer Website. Auch die Filme der »Archäologischen Zeitmaschine« stammen aus ihrer Produktion. Annemarie Reck spricht mit den Produzenten Maria und Jörg Courtial über ihre Erfahrungen.

Faber Courtial – studio for digital worlds entwickelte sich seit der Gründung zu einem der wichtigsten VFX-Studios (Visual Effects-Studios) Deutschlands und einem international erfolgreichen VR-Studio. Die hochkarätigen Werke der Produktionsfirma begeistern Zuschauer weltweit in Ausstellungen, VR-Theatern, Festivals, Museen, TV und Film.

Maria und Jörg Courtial gründeten 1998 das Unternehmen mit aktuell 14 Mitarbeitern, nachdem beide ein Industriedesignstudium erfolgreich abgeschlossen hatten.

Maria und Jörg Courtial 2021.

Maria und Jörg Courtial 2021. Foto: Faber Courtial GbR.

1. Für das Projekt »Archäologische Zeitmaschine« der Altertumskommission für Westfalen und der LWL-Archäologie für Westfalen haben Sie die VR-Filme produziert. Was hat Sie an dem Projekt gereizt?

Von Beginn an fanden wir die Idee fantastisch, die Filme nicht nur in Museen zu zeigen, sondern vor Ort zu den Leuten zu bringen wie z.B. in Einkaufszentren. Wir sind auch sehr gespannt, wenn es dann tatsächlich losgeht!

Inhaltlich haben uns diese drei besonderen, historischen Plätze fasziniert, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der Gedanke, zurück in die Steinzeit zu gehen und dem Aufbau eines Grabes aus mannshohen Steinen beizuwohnen, ist einfach besonders. Dann dieses gigantische römische Feldlager. Die Dimensionen kann man einfach nur verstehen, wenn man sich sozusagen vor Ort befindet und feststellt, dass schon alleine die Zelte auf der anderen Seite der Straße kaum noch zu sehen sind. Und zum Schluss, statt der räumlichen Weite, eine fast schon bedrückende Enge in der achteckigen mittelalterlichen Burg. Aber in Enge funktioniert VR besonders gut!

Die Weite des römischen Feldlagers im VR-Film.

Die Weite des römischen Feldlagers im VR-Film. Filmstill: Altertumskommission für Westfalen.

Die Holsterburg aus dem Innenhof.

Die Enge der Holsterburg. Filmstill: Altertumskommission für Westfalen.

2. Welche Herausforderungen brachte das Projekt mit sich?

Wir lieben es, Geschichte in möglichst realistischer, intensiver Form umzusetzen. Zum einen betrifft dies die Umgebung, die Landschaft. Faszinierend ist aber natürlich immer, dort auch Menschen zu haben. Befinden sich diese in der Nähe der Kamera, also nahe dem Betrachter, arbeiten wir bevorzugt mit real gedrehten Menschen.

Aber es ist jedes Mal eine technische Herausforderung, diese so perfekt wie möglich in die virtuelle, dreidimensionale 360°-Umgebung einzupassen, speziell auf dem Boden. Da geht es im wahrsten Sinne des Wortes um Millimeter. Im Gegensatz zum traditionellen Film haben wir in VR keinen Kameraausschnitt und „Problemzonen“ können nicht einfach weggelassen werden. Nein, in VR ist immer alles zu sehen und dies auch noch in ganz anderer Nähe und Intensität.

Im VR-Film Genesis kann man u.a. einen Blick in das Erdzeitalter des Carbon werfen.

Im VR-Film Genesis kann man einen Blick ins Zeitalter des Carbon werfen. Bild: Faber Courtial GbR.

3. Welcher Aspekt war für Sie dabei ein Novum?

Bei diesem Projekt haben wir viel mit 3D-Charakteren gearbeitet, auch in deutlicher Nähe zur Kamera. Nach wie vor sind digitale Personen und deren Bewegung in der Umsetzung sehr anspruchsvoll.

Besonders bei den Sloopsteenen waren wir ungewohnt nah, konnten diesen speziellen Moment aber technisch nur in dieser Form umsetzen. Eine große Anzahl von Menschen sollte gezeigt werden, die mit Kraft am „gleichen Strang“ ziehen, sich zwischenzeitlich ausruhen und dann jubeln. Solch unterschiedliche Bewegungsabläufe sind Herausforderungen, die man möglichst gut lösen will, man jedoch mit den technischen Möglichkeiten jonglieren muss. Alles soll richtig aussehen, der mechanische Vorgang der Positionierung des Steins sollte möglichst authentisch und korrekt gezeigt werden.

Die im Computer generierten Personen ziehen im 360° VR-Film zu den Großen Sloopsteenen an einem Strang.

Die im Computer generierten Personen ziehen im 360° VR-Film zu den Großen Sloopsteenen an einem Strang. Filmstill: Altertumskommission für Westfalen.

Hinzu kam, dass wir auf eine andere Engine mit neuer Software umgesattelt hatten. Die Möglichkeiten in unserer Arbeitswelt ändern sich rasant von Tag zu Tag. Es gibt ständig neue Soft- und Hardware, in die man sich einarbeiten muss, die dann aber auch die Arbeit erleichtern und verbessern. Die neuen Programme werden wiederum auch an die eigenen Bedürfnisse angepasst und entsprechend programmiert. Insofern bringt jedes Projekt automatisch viele Nova. Manche Software-Innovationen kommen exakt zum richtigen Projektzeitpunkt, manchmal hätte man aber gerne noch ein Jahr mit der Umsetzung gewartet, um Ergebnisse zu optimieren.

4. Faber Courtial GbR kann bereits auf eine lange Reihe an Animationen für historische Dokumentarfilme, Zusammenarbeiten mit Museen und der Archäologie zurückblicken. Weshalb sind gerade geschichtliche und archäologische Themen in Ihrem Fokus?

Ja, das war nicht von Beginn an so. Wir haben im Design- und Architekturbereich mit Visualisierungen begonnen. Aber nach wenigen Jahren war es unser privates Interesse an Geschichte und Kultur, das zu einem eigens produzierten Trailer zum Limes (noch bevor dieser Weltkulturerbe wurde) geführt hat.

Damit sind wir dann an Museen und das Fernsehen herangetreten. Das Echo war sehr positiv und so hat sich unser Fokus sehr schnell auf diesen Bereich verlagert. So ein bisschen wurde das Hobby zum Beruf.

Blick über das mittelalterliche Paris.

Blick über das mittelalterliche Paris vom Louvre in Richtung Notre Dame. Produktion für das ZDF. Bild: Faber Courtial GbR.

5. Welche Möglichkeiten bietet die VR-Technik für die Wissensvermittlung? Inwiefern eignet sich VR besonders gut?

VR ist ein sehr intensives Medium, welches den Zuschauer mit (fast) allen Sinnen in eine andere Welt entführt. Man taucht ein und erlebt das Geschehen aus einer hautnahen und nahezu intimen Perspektive. So schaffen es die immersiven Technologien, Eindrücke von unvergleichlicher Intensität und Emotion zu vermitteln. Nachweislich bleiben diese Szenen auch länger im Gedächtnis der Zuschauer.

Blick in den Hafen von Karthargo.

Blick in den Hafen von Karthargo. Produktion für Geo Epoche. Bild: Faber Courtial GbR.

So gelingt es, mit VR selbst komplexes Wissen anschaulich zu vermitteln. Nur eine reale Zeitreise könnte das noch toppen.

Wir haben für dieses Projekte VR-Filme umgesetzt, da hier all die genannten oberen Punkte zum Tragen kommen und die dafür benötigten VR-Brillen sehr leicht handzuhaben sind. Man kann zu VR auch noch einen Schritt weitergehen und interaktives VR anbieten. Da gibt es dann wiederum nochmals neue und andere Möglichkeiten der Wissensvermittlung.

Das Form Rostra in Rom zur Zeit Diocletians.

Das Form Rostra in Rom zur Zeit Diocletians. Bild: Faber Courtial GbR.

6. Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Einsatz der VR in Museen o.a. Kultureinrichtungen? Welche Reaktionen des Publikums sind zu beobachten?

VR ist das Medium, das es schafft, ein authentisches, starkes Gefühl zu vermitteln. Natürlich ist es wichtig, dass die VR-Anwendung auch gut und überzeugend umgesetzt wird. Das ist immer unser großes Ziel - die Besucher sollen fasziniert sein.

Und das ist auch die Rückmeldung, die wir von den Museen erhalten und die sich auch in den Besucherbüchern widerspiegelt – eine Begeisterung des Publikums, so etwas erleben zu können. Teils kann dies auch sehr emotional sein. Etwas Schöneres können wir nicht erhoffen. :-)

Das Profilbild von Faber Courtial GbR.

Das Profilbild von Faber Courtial GbR. Grafik: Faber Courtial GbR.

Maria und Jörg Courtial sind die Gründer der Faber Courtial GbR. Das Studio ist auf Virtual Reality, historische Rekonstruktionen und visuelle Effekte spezialisiert.

Die Autorin Annemarie Reck M.A. ist Archäologin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Volontärin bei der Altertumskommission für Westfalen und ist maßgeblich am Projekt »Die archäologische Zeitmaschine« beteiligt.